YOGAWORLD Satsang-Kolumne

YOGAWORLD Satsang-Kolumne

Anleitung zum Glücklichsein

Satsang kommt aus dem altindischen Sanskrit und bedeutet: Sich in der Wahrheit treffen. Traditionell wurde der Begriff für ein Zusammensein zwischen einem Meister und seinen Schülern verwendet.

Hier auf Yoga world lade ich dich dazu ein, große und kleine Lebensfragen zu stellen, die ich aus einer ganzheitlicher Sicht beantworte. So erhältst du eine Anleitung zu einer neuen Offenheit – dir selbst gegenüber und zu mehr Spiritualität im Alltag. Idealerweise lernst du, deine tiefsten Sehnsüchte und Träume bewusst wahrzunehmen und dein Leben positiv zu verändern.

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Wie kann man glücklich sein, wenn andere Menschen leiden?

Alle Wesen wollen glücklich sein und alle Wesen wollen Leid vermeiden. Oberflächlich betrachtet scheinen Glück und Leid subjektive Empfindungen zu sein, doch tatsächlich sind sie universelle Größen, an denen alles Anteil hat. Das bedeutet, dass alles Glück und Leid voneinander abhängig und miteinander verbunden ist – kein Glück oder Leid kommt alleine. Persönliches Glück oder Leid gibt es eigentlich nicht, denn mein Glück ist zugleich das Glück der anderen, so wie auch mein Leid zugleich das Leid der anderen ist, wie auch umgekehrt. Deshalb ist geteilte Freude auch doppelte Freude und geteiltes Leid halbiertes Leid.

Alles Leben beruht auf Wechselseitigkeit. Die Bewusstwerdung dessen öffnet uns für den Anderen und führt über eine Haltung der Achtsamkeit, des Mitgefühls und der Nähe zu der universellen Verantwortung, die unsere Welt so dringend braucht – Glück zu mehren und Leid zu lindern und zwar für alle. Die Lösung aller unserer Probleme, aller Frieden, innerer und äußerer, liegt in der Annahme, dass alles mit allem verbunden ist. Nichts existiert getrennt oder isoliert voneinander.

Niemals kann es wahres Glück oder wahren Frieden geben, so lange noch ein einziges Wesen leidet. Oder anders gesagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das Wunder der Liebe offenbart sich im lebendigen Tun der Worte: Ich bin alle Wesen und alle Wesen bin ich. Alles, was ich für mich tue, tue ich auch für andere, und alles, was ich für andere tue, tue ich auch für mich selbst.

Warum ist Verlust immer mit Schmerzen verbunden?

Alles, was wird, vergeht. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Die Vergänglichkeit allen Seins ist eine der größten Herausforderungen für den Menschen. Interessanteweise nur für den Menschen. Fauna und Flora sind davon weniger betroffen.

Gewinn – Verlust, Freude – Schmerz sind Eigenschaften eines Bewusstseins. Je höher das Bewusstsein desto größer die Fähigkeit zur Empfindsamkeit. Leider bedeutet das auch: Je höher das Bewusstsein, desto stärker kann Leid und Schmerz empfunden werden. Das ist der Preis, den wir als Bewusstseinswesen zu zahlen haben. Bewusstsein ist immer mit Wahrnehmung und mit Denken gekoppelt. Und Denken mit Gefühlen. In einem erhöhten bzw. erweiterten Bewusstseinszustand ist auch eine Wahrnehmung und Fühlen ohne konkretes Denken möglich. Dies ist der Ort des friedvollen Geistes, denn in ihm werden die Dinge so erblickt, wie sie sind, und nicht, wie wir sie gerne hätten bzw. wie wir sie nicht gerne hätten. Hier gibt es natürlich auch Gefühle, wie Trauer oder Verlust, aber in diesem Es-ist-so-wie-es-ist-Zustand lehnt man sich nicht gegen sie auf, sondern nimmt sie als das an, was sie sind – ohne sie weder in die eine oder andere Richtung zu bewerten. Im Leben gibt es gute Zeiten und im Leben gibt es nicht so gute Zeiten. Ein ewiges Glück gibt es nicht. Auf Freude folgt früher oder später immer auch Leid. Auf Sonne folgt notgedrungen auch Regen. Als Zenmeister Basho schwer erkrankte, wurde er nach seinem Befinden befragt. Seine Antwort war: „Buddha mit dem Sonnengesicht und Buddha mit dem Mondgesicht.“

Das ganze Leben ist ein Geben und ein Nehmen. Beides hat seine Berechtigung. Denn wäre das eine nicht, so wäre auch das andere nicht. Diese Tatsache lässt sich weder wegmeditieren noch kann sie durch andere spirituelle Praktiken weggezaubert werden. Die Frage ist, wie gehen wir mit diesem Dilemma um?

Das Gefühl eines Verlustes als Schmerz basiert auf Einseitigkeit, da die zusammengehörigen Pole nicht mehr als ursprüngliche Einheit angesehen werden, sondern als zwei sich gegenüberstehende, unvereinbare Pole. Hier wird eine Trennung vollzogen, die auf natürliche Weise nicht ist. Die Natur kennt weder Grenzen noch Trennungen. Alle Trennungen sind mentale künstliche Konstrukte. Unser normales Bewusstsein, welches dualistisch ausgerichtet ist, gaukelt uns etwas vor, was eigentlich nicht ist. Verlust im ganzheitlichen Sinne stellt immer Verlust der Einheit dar. Jeder Verlust, ganz gleich welche konkrete Form er auch annehmen mag, ist ein Hinweis auf ein Größeres. Denn dort, wo Verlust ist, ist nicht Ganzheit, sondern Teile. Jeder Schmerz, jedes Leid ist einer Teilung oder Trennung geschuldet. Wissen wir jedoch um die Einheit aller Dinge, dann gibt weder Bedauern noch Verlust. Nun können wir, wie Meister Basho dem eigenen Tod, dem größten Verlust unseres Lebens gleichmütig (nicht gleichgültig) in völliger Akzeptanz – ohne Schmerz – entgegenblicken.

Sind wir glücklicher, wenn wir dümmer und oberflächlicher sind? Oder wenn wir tatsächlich mehr Bewusstheit haben? Ich beobachte in der spirituellen Welt eine ewige Blase der Heilung, mit gehobenem Anspruch an sich selbst und an die Welt, wie sie sein sollte... während Men­schen, die oberflächlich leben, tatsächlich noch an sehr einfachen Dingen Spaß und Freude empfinden können.

Das, was den Menschen auszeichnet, ist, dass er ein Bewusstsein hat und dass er zur Reflexion fähig ist. Darin liegt seine Stärke, die aber auch mit Schwächen verbunden ist. Der Mensch, ani­mal rationale(Aristoteles: zoon logon echon) oder nach Kant animal rationabile, ist ein denken­des bzw. zur Vernunft befähigtes Tier. Der Jesuit und Paläontologe Teilhard de Chardin bringt es auf den Punkt: „Der Mensch ist nicht mehr nur ein Seiendes, das weiß, sondern ein Seiendes, das weiß, daß es weiß.“1Er nimmt sich als ein Individuum wahr, das denkt, handelt und fühlt. Ferner kann er sich in ein rechtes Verhältnis zu seiner Außenwelt setzen. Er hat eine Vorstellung vom Guten und kann sich davon motivieren und leiten lassen. Diese Stärken können sich jedoch in Schwächen wandeln, wenn er den Ansprüchen des Menschseins nicht gerecht wird.

Mensch seinbedeutet – bewusste – geistige Entwicklung und Entfaltung. Schöner ausgedrückt: Aufbruch zu höheren Bewusstseinssphären. Obwohl dieses Höhereher einer Erweiterungent­spricht, im Sinne eines ganzheitlichen All- oder Einheitsbewusstseins. Die Natur des Menschen als Geistwesen ist Bewusstwerdung – und zwar die seiner MENSCHLICHKEIT. Der Mensch ist noch nicht, sondern er wird es erst. Der Mensch ist noch nicht erwachsen, so Teilhard. Der Mensch oder die Menschheit als Ganzes steckt (geistig) noch in den Kinderschuhen. Evolutions­biologisch mag der Mensch seine Vollendung erreicht haben, seinen geistigen Höhepunkt jedoch noch nicht. – Seine geistige Evolution steht noch aus bzw. ist noch im Werden. Sie vollzieht sich über den Prozess des bewussten Bewusstwerdens zu einem unbewussten Gewahrsein.

Ist ein spiritueller Weg eine Gefahr zu egoistisch zu werden? Die Rückbesinnung auf das eigene Wohl und die Selbstzentrierung und auch der damit verbundene Selbstoptimierungswahn endet bei vielen Menschen, darin, dass sie sich immer mehr abgrenzen.

Der moderne Mensch ist unbewusst bewusst. Er lebt ein Leben in Widersprüchen und Oberfläch­lichkeiten. Er führt ein selbstentfremdetes, innerlich verarmtes und zugleich ein selbstgefälliges, äußerliches Dasein in Saus und Braus. Sein Motto ist: Schneller, weiter, höher. Lieber mehr als weniger, und mir das Meiste, mit dem Ziel, dass alles Spaß machen und mir zum Vergnügen ge­reichen muss. Und ist das nicht der Fall, dann braucht man einfach noch mehr. Mit dem Lebens­prinzip Quantität statt Qualität, Hedonismus statt inneren Friedenund Eitelkeit statt Wahrheithaben wir das Gefühl und das Maß für die essentiellen Dinge im Leben verloren. Wir trinken zu viel, wir essen zu viel oder zu wenig, wir schauen viel zu viel Fernsehen oder hängen stundenlang am Computer, wir machen Extremsport, wir konsumieren zu viel, sind ständig unterwegs oder können uns zu nichts aufraffen. Nach einer Botoxspritze muss noch ein Lifting hinterher, nach ei­nem Tattoo folgt das nächste; nach einer Reiki-Ausbildung kommt das Engelchanneling, danach noch sechs Wochen Heilfasten in Indien; aus dem Fiat Panda wird ein Volvo, aus dem Volvo ein 3er BMW, aus dem BMW ein Porsche Cayenne usw.

Unser schnelllebiges, oberflächliches Leben wird von Eitelkeiten diktiert. Die Eitelkeit, zu gefal­len und immer geliebt zu werden. Die Eitelkeit, mehr zu wissen als andere. Die Eitelkeit, besser und mehr sein zu wollen als der Rest der Welt. Die Eitelkeit, alles richtig zu machen und die Ei­telkeit, anderen zu helfen. Und schlussendlich die Eitelkeit des Strebens nach dem ewigen Leben und nach dauerhaftem Glücklichsein. Unser Lifestyle ist Hedonismus pur: Maximales Vergnügen und größtmöglicher Gewinn bei einem Minimum an Aufwand. Der Hedonist mag schlau sein, aber er ist nicht weise; er mag gut drauf sein, aber er ist nicht glücklich, er mag haben, aber er IST nicht. Und wer nicht IST, lebt unbewusst! Im Stadium des unbewussten Bewusstsein kann es keine Freiheit geben, denn die Bezogenheit auf sich selbst und auf seine Wünsche macht nicht frei, sondern bedürftig und abhängig. Ein wollendes Ich bedarf immer eines gebenden Du.

Auf der bewussten Bewusstseinsebene werden wir uns der mentalen Trennung von Ich und Du – schmerzlich – bewusst. Der Preis der Bewusstwerdung ist die Vertreibung aus dem Paradies, der Einheit allen Seins. Wie anfangs schon erwähnt, birgt Bewusstsein auch Schwächen, da Bewusst­sein immer Trennung bedeutet. Wir erfahren Bewusstsein immer als Bewusstsein von etwas. Dem Subjekt steht ein Objekt gegenüber. Auf der hedonistischen Bewusstseinsebene wird dieser Tren­nungsschmerz unterdrückt und wird durch Selbstsucht kompensiert. Die Beziehung ICH-DU geht hier immer vom Ich aus und kehrt immer wieder zum Ich zurück. Das Du ist dem Ich nur Mittel zum Zweck.

Auf der letzten Stufe der Bewusstseinsevolution wird das bewusste Bewusstsein zu einer reinen Bewusstheit, dem reinen Gewahrsein, erhoben bzw. erweitert. Jede mentale Trennung von Ich und Du, von Subjekt und Objekt, ist nun in einer harmonischen Einheit aufgehoben. Aber nicht im symbiotischen Sinne, dass das eine das andere sich einverleibt, sondern im Sinne einer gegen­seitigen Ergänzung und Erweiterung. Gerade weil ich auch ein DU bin, kann ICH sein. Das DU steht meinem Ich nicht mehr isoliert gegenüber, sondern ist Teil meines Ichs. Nun bin ich ein WIR, aber auch ein DU und ein ICH. Erst dieses ganzheitliche Erleben macht mich zum wahren Menschen. Menschlichkeit beginnt mit der Erkenntnis: Das Wahre ist das Ganze und nicht seine Teile. Nicht Entweder-oder sondern Sowohl-als-auch.